Imaginäre positive Krümel

Um dem Moloch meines Denkens, der alles Positive verschlingt und nur negative Krümel hinterlässt, zu entkommen, lasse ich öfters mal meine Fantasie einen Platz entstehen, der sich komplett nach dem im Moment benötigten Dingen segmentartig aufbaut, Schicht für Schicht, Ding für Ding. Imaginäre positive Krümel.
Einer dieser Krümel ist das Café, welches ich nun mit den folgenden Worten näher beschreiben möchte.
Schon öfter ist es mir aufgefallen, nie wollte ich es betreten. Es wirkt einladend, in einer kleinen Seitengasse, mit seinen hohen Fenstern, gerahmt mit dunkelbraunem Holz, aufgerissen aufgrund der Trockenheit und Sonneneinstrahlung. Der Fensterrahmen trennt die Scheiben in viele gleichgroße Quadrate, überdacht mit einer schwarz-weiß gestreiften Markise.
Neben der massiven Eingangstür eine Tafel auf der in schönen Schnörkeln jeder Gast zum Frühstück bei Livemusik eingeladen wird.
Ich öffne die Türe und trete ein. Das zurückhaltende Murmeln der zahlreichen Gäste wird übertönt von den chaotisch wirkenden Tönen der Jazzband die im hinteren Bereich des großzügig bestückten Raumes stilvoll auf ihren Instrumenten die Finger hin und her tanzen lassen, und so die Atmosphäre einer Mischung aus 40er Jahre amerikanischem Jazzclub und  90er Jahre französichem Café entstehen lassen.
Ich setze mich an einen runden Tisch, glänzend poliert, in der selben Farbe wie der Fensterrahmen und gerade so groß dass  eine Person daran gemütlich sitzen kann.
Ich lasse die warme, von Croissant- und Kaffeegeruch geschwängerte Luft meine noch vom regen nassen Haare trocknen, während ich von der dicken Wochenzeitung meine negative Einstellung der Menschheit gegenüber bestätigen lasse.
Gerne stelle ich mir mein Leben in unterschiedlichen Kameraeinstellungen vor, je nach Lage passend. In diesem Augenblick stelle ich mir vor, wie die Kamera durch die von Tropfen übersäte Fensterscheibe meine nachdenkliche Miene als Close-Up filmt.
Der Kontrabass der Band wummert beständig durch den Raum, begleitet von einem Saxophon und einem Schlagzeug. Mit dem Ende des Liedes gibt es Beifall von den Cafébesuchern, und auch der Regen trommelt, so scheint es mir, freudig gegen die Fensterscheibe.
Erheitert vom erheiterten Regen beiße ich genüsslich in das soeben servierte Gebäck und trinke von meinem Tee. Ich spüre wie die warme Flüssigkeit ihren Weg durch meinen Körper macht und mich erschaudern lässt, so als hätte ich direkt einen Schluck flüssigen Glücks getrunken.
Zufrieden lausche ich der Musik und stelle mir vor, wie der Regen nur hierher regnet, um der Musik beizupflichten, sie zu unterstützen und sich bei ihr zu bedanken. All die Regentropfen die an diesen Ort pilgern um in einer explosion aus extase am Fenster zu zerspringen sind wie unbekümmert, frei und müssen nicht beim lesen der Zeitung ihre Stirn runzeln, sofern sie denn lesen können und eine Stirn haben.
Ich beende mein Frühstück kleide mich wieder an, und öffne den Mund um das ganze Ambiente nochmal in mich aufzunehmen. Die stickige Luft presst sich in meine Lungen hinen, und ich bekomme wohlig betäubende Atemnot, die mir wie ein freundlicher Türsteher zum Abschied nochmal auf die Schulter klopft und mir den Weg nach draußen weist.
Mit dem Schritt nach draußen stürzen sich tausende Regentropfen auf mich und begleiten mich auf meinem Heimweg...

Keine Kommentare :

Kommentar veröffentlichen