Reiselust mal anders

Keiner weiß wohin. Mit seinem Leben. Mit seinen Erwartungen.
Kontinuierlich flackert das Licht des sterilen U-Bahnwagons zum Rattern beim Überfahren der Knochen derer die wir hassen.
Die Anzeige schreibt in schwer lesbaren Buchstaben die noch schwerer hinzunehmende Destination des Trauerzuges: Ende. Außerhalb der Fenster nichts zu erkennen, außer den zu  Skeletten abgemagerten Passagieren. Jeder widerstrebend und doch willig der Erlösung entgegenkommend. Der Zug der einzige Weg zu schlichtem Gutem. Jeder andere Weg gesäumt von Steinen aus Gefühlen und Mauern aus ungestillten Erwartungen. Durchs Leben getrieben nur durch die Tatsache dass man zum Leben gezwungen wird und nicht bewusst nicht leben kann. 
Das eine Rätsel, meinen verbitterten Gedanken entnommen. Warum passt all das Leben auf der Welt so perfekt zusammen, ist aufeinander abgestimmt, das Leben im Leben aber ist so ungleich? Warum kann mein Leben nicht den Gegenpart haben den ich mir wünsche, der doch so perfekt passt?
Knochenbrechen, Lichterflackern, Knochenbrechen, Lichterflackern. Nur mein Ende führt zu dem finalen zufriedenstellenden Zustand, der mich eigentlich gar nicht zufriedenstellen kann, da ich ihn nicht wahrnehmen kann.
Der Fahrkartenkontrolleur betritt das Abteil, eine ekelerregende Mischung aus all den Dingen die ich nicht bin, du aber von mir verlangst, um eine Liebe zu mir aufzubauen, wie genau jene Kreatur nun meinen Fahrschein verlangt um mit diesem Zug weiter richtung Erlösung zu fahren. Ich hasse dich, Fahrkartenkontrolleur, obwohl du nur deine ehrliche Arbeit verrichtest, im Auftrag deines Arbeitgebers. Ich hasse dich Arbeitgeber.
Ich reiche dem Fahrkartenkontrolleur die Fahrkarte. „Unerwiederte Liebe“ steht darauf geschrieben. Falsches Abteil, das hier sei das Abteil „Mobbingopfer“, bekomme ich mitgeteilt. „Unerwiderte Liebe“ sei am Zugende, wird mir klargemacht.
Lustlos stehe ich auf. Ein Aufbruch, ein Fehler von vielen. Nichts neues.
Am Weg zu meinen Abteil komme ich an anderen vorbei.
Umso weiter ich richtung Zugende komme, umso schäbiger werden die Abteile.
„Verlorene langjährige Liebespartner“,  „Verstorbene Eltern“,  „Verlorene Kinder“, „Schwerwiegende unverzeihbare Fehler“ und schlussendlich „Unerwiderte Liebe“.
Die spärliche Beleuchtung lässt gerade so zu, die abblätternde Schrift an den Wänden zu lesen. 
„Du hast zu viel an der falschen Stelle gegeben.“
„Du bist nicht genug.“
„Sei anders!“
All die Tränen habe ich für dieses Ticket gegeben. Ein Ticket für einen Zug der nie endet, nie stoppt, nie entgleist, bis er nicht meine eigenen Knochen zu brechen versucht.
Aufbruch. Verdammt mit all den anderen Trauergestalten in diesem Abteil zu fahren in die Ewigkeit, mit nur einem Gedanken, der uns zusammenschweißt und doch so weit von einander entfernt.
Alles messen an einem. An einem perfekten Unerreichten.
Licht. Ende. Anfang. Dunkel. Licht.
Hoffnungslose Hoffnung.
Du.

2 Kommentare :

Guy hat gesagt…

Ich weiß gerade nicht, was ich dazu sagen soll. Nur, dass ich etwas sagen will, es aber gerade nicht kann. Der Text ist... wie gut ich ihn nachvollziehen kann, tut fast schon weh. Und er ist auch noch so verdammt gut geschrieben! Ich bin sprachlos. Wirklich.

menschensindniveaulos hat gesagt…

+Guy
Ugh! Dankesehr. Das zu hören, wo du so gut schreibst ist mir eine Ehre.
Danke danke danke.

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